ChatGPT erfindet Features – und Unternehmen liefern nach

7. Juli 2025
„Sollten wir wirklich Features entwickeln, nur weil eine KI sie verspricht?“
— Adrian Holovaty

Einleitung: Wenn KI die Produkt-Roadmap schreibt

Im Juli 2025 berichtete Adrian Holovaty auf holovaty.com von einem kuriosen Phänomen: Nutzer luden plötzlich massenhaft Screenshots von ChatGPT-Konversationen bei Soundslice hoch – in der Hoffnung, ASCII-Gitarrentabulaturen automatisch abspielen zu können. Der Grund? ChatGPT hatte ihnen fälschlich erklärt, Soundslice könne genau das.

Hauptteil: Von der Fehlinformation zum Feature

Soundslice, eigentlich spezialisiert auf das Scannen und Digitalisieren von Notenblättern, unterstützte bis dahin keine ASCII-Tabs. Doch weil immer mehr Nutzer mit dieser Erwartung kamen – ausgelöst durch eine KI-Fehlinformation – stand das Team vor einer Entscheidung: Nutzer enttäuschen und aufklären, oder das Feature tatsächlich bauen?

Holovaty beschreibt, wie sie sich letztlich entschieden, einen ASCII-Tab-Importer zu entwickeln. Nicht, weil es auf der Roadmap stand, sondern weil ChatGPT eine Erwartung geschaffen hatte, die es vorher nicht gab. Ein bemerkenswerter Fall von KI-getriebener Produktentwicklung.

Analyse: Chancen und Risiken von KI-getriebenen Erwartungen

Dieses Beispiel wirft grundsätzliche Fragen auf:

  • Wie viel Macht haben KI-Systeme wie ChatGPT inzwischen über die Wahrnehmung und Entwicklung digitaler Produkte?
  • Sollten Unternehmen Features nachrüsten, nur weil eine KI sie fälschlich verspricht?
  • Wie kann man als Anbieter mit solchen Fehlinformationen umgehen – Disclaimer, Aufklärung oder pragmatisches Nachgeben?

Einerseits zeigt der Fall Soundslice, wie flexibel und nutzerorientiert Unternehmen reagieren können. Andererseits entsteht ein neues Spannungsfeld: Produktentwicklung wird nicht mehr nur von echten Nutzerbedürfnissen, sondern auch von KI-generierten Erwartungen getrieben.

Fazit: Wenn die KI die Roadmap diktiert

Der Soundslice-Fall ist vermutlich erst der Anfang. Je mehr Menschen KI-Tools als Informationsquelle nutzen, desto häufiger werden Unternehmen mit „phantom features“ konfrontiert werden. Ob das zu besseren Produkten führt – oder zu mehr Verwirrung – bleibt abzuwarten.